Sie wollen die Armee stärken

Nadja Günthör und Mathias Müller arbeiten beim Militär, er als Eventplaner, sie als IT-Ausbildnerin. Doch ihre Karrieren begannen ganz wo anders. Nadja Günthör findet, Frauen sollten weniger an sich zweifeln und mehr wagen. Mathias Müller ist der Bisherige, der kein Blatt vor den Mund nimmt.

Das Schweizer Militär und die SVP haben viel gemeinsam, zum Beispiel ein Imageproblem. Das finden zumindest Nadja Günthör und Mathias Müller. Die Armee sei nicht in erster Linie Stillstehen und Befehle befolgen, und die SVP sei nicht nur Christoph Blocher, so Müller. «Wir werden oft in eine Ecke gedrängt, schubladisiert. Viele sind uns gegenüber intolerant.» Dabei strotze die SVP nur so von Diversität. Die Bandbreite sei riesig. Von fast links bis ziemlich rechts. So sei das auch im Militär. Die Armee habe sich gewandelt, leiste viel für die Gesellschaft, für den Sport und im Führungsbereich. Und über allem stehe der Freiheitsgedanke. «Wir brauchen so wenig Militär wie möglich und so viel wie nötig, um die individuelle Freiheit zu schützen», sagt Müller.

Zwei Wundertüten
Müller und Günthör sind jedoch keine guten Beispiele für diese Diversität. Ihre Smartspiders könnte man leicht verwechseln. Und beide arbeiten bei der Schweizer Armee. Er, der 52-jährige Bisherige aus Orvin, ist Berufsoffizier, war lange Chefrekrutierer in der Schweizer Armee und arbeitet heute dort als Eventplaner. Sie, die bald 57-jährige Neue aus Erlach, also zumindest wäre sie neu im Grossen Rat, ist Ausbildnerin, hilft bei Projekten mit und führt die Armeeangehörigen an die interne Applikation heran. Günthör war bis 2016 Gemeinderätin und Vize-Gemeindepräsidentin in Erlach, kandidierte schon vor vier Jahren für das Berner Parlament und vor drei Jahren für den Nationalrat. Müller ist bereits seit acht Jahren im Grossen Rat. Da wollen nun beide hin. Denn sie lieben Herausforderungen. Und sie sind Wundertüten.

Geprägt vom Helfersyndrom
Günthör ist gelernte Coiffeuse. Und sie ist diplomierter Personal Coach, Eventmanagerin und Webmasterin. Über allem steht der Wunsch, andere zu unterstützen und deren Leben ein bisschen besser zu machen. «Ich habe wohl ein Helfersyndrom», sagt sie. Auch in ihrer Familie sei sie oft die Ansprechperson, ohne das zu suchen. Das könne zwar anstrengend sein, aber es sei auch immer wichtig und lehrreich. Und wie landet eine Coiffeuse/Eventplanerin/Webmasterin beim Militär? Einen Bezug dazu habe sie schon als Kind gehabt. Damals setzte sie sich gerne den Feuerwehr-Helm ihres Vaters auf. «Wir brauchen das Militär. Ich bin froh, nun auch einen Teil dazu beizutragen.» Die Institution scheint ihr Halt zu geben ob während der Pandemie oder des Hochwassers oder nun während des Ukrainekrieges. Den Beruf als Coiffeuse habe sie geliebt. Aber dann kam das Internet. Und damit kamen viele neue Möglichkeiten. In diese Welt wollte Günthör eintauchen. Das machte sie im Fernstudium, ihren Salon betrieb sie weiter. «Dann zog es mir den Ärmel rein», sagte sie. So gab sie den Salon auf und wechselte von der Frauendomäne in eine Männerwelt. «Ich arbeite gerne mit Männern zusammen, und ich bin überzeugt, dass eine Mischung von Mann und Frau dem Arbeitsklima guttut.» Als Frau müsse man sich in einer Männerdomäne aber auch etwas mehr behaupten, um als gleichwertig wahrgenommen zu werden. Beim Militär ist sie seit Pandemiebeginn. Gearbeitet hat sie also in den letzten Jahren hauptsächlich von zuhause aus, hat via Videochat unterrichtet und so Kontakte geknüpft.

Auch Müller arbeitet häufig von zuhause aus. Manchmal reist er frühmorgens nach Bern für eine kurze Sitzung, danach wieder zurück nach Orvin ins Homeoffice, und am späten Nachmittag nochmals in eine andere Ecke des Kantons, um an einem Meeting dabei zu sein. Von wann bis wann er arbeite, könne er gar nicht recht sagen. «Ich bin ohnehin rund um die Uhr da», sagt er. Zu viel sei das nicht. Seine Familie komme deswegen nicht zu kurz. Müller hat zwei Töchter und einen Sohn. «Sie stehen immer an erster Stelle. Und ich habe nie ein Event von ihnen verpasst.» Auch er scheint ein Helfersyndrom zu haben. Wenn man ihn fragt, was er an seinem Job am meisten mag, antwortet er: «Ich habe das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun. Ich werde gebraucht, und zwar für etwas Grösseres, für einen Teil der Idee Schweiz.» Er sieht es als seine Pflicht, eine solche Arbeit zu leisten, etwas, das zum Gemeinwohl beitrage. «Ich habe das Gefühl, eine starke Person zu sein», sagt er. Und er könne führen, Menschen motivieren und überzeugen. Genau darum gehe es doch, sowohl im Militär als auch in der Politik. Stark sei er sicherlich nicht in jedem Bereich. Aber er ist davon überzeugt, helfen zu können, sollte die Schweiz in einer Krise stecken. «Ich würde mich schlecht fühlen, wenn ich in einer Krise warten würde, bis mir geholfen wird», fügt er an. Müller verkörpert also genau das, was man sich unter einem Offizier vorstellt. In die Berufswelt ist er jedoch ganz anders eingestiegen: Er studierte Psychologie. Doch in ihm habe schon immer das John-Wayne-Syndrom geschlummert. «Der Offizier war für mich der moderne Ritter», sagt er. Diese romantische Vorstellung sei heute etwas verflogen. An der Armee hält er jedoch fest.

Die Frau von…
Rückhalt erhalten beide aus ihren Familien. Anders gehe es nicht, sagt Müller. Wer in den Grossen Rat wolle, brauche ein Team, das einem den Rücken stärke. Bei Günthör ist das ihr Mann Werner, der ehemalige Weltmeister im Kugelstossen. Dass sie manchmal hauptsächlich als «seine Frau» wahrgenommen werde, störe sie nicht. Vielmehr sieht sie seine Unterstützung als Vorteil für die Wahlkampagne. Daher findet auf der Website von Nadja Günthör auch ein grosses Bild vom «Kugel-Werni» Platz. «Er gehört zu mir. Wir haben viel voneinander gelernt und uns gemeinsam entwickelt», sagt sie. Daher sei das Bild von ihm auf ihrer Website auch gerechtfertigt. Günthörs Hauptthemen sind Bildung, Wirtschaft und Tourismus. Zudem will sie sich auch für den Hochwasserschutz einsetzen. «Werni und ich hatten auch mehrfach unsere Füsse im Wasser», sagt sie. Müller hingegen will alles, Hauptsache keine Regulierungen. «Ich werde mich überall dort einsetzen, wo die Freiheit des Individuums in irgendeiner Form eingeschränkt wird.» Er appelliert an die Eigenverantwortung, «an die Vernunft». Denn im Grunde sei die Schweiz ultraliberal und ultraantiautoritär. Und so ist auch Müller. «Wir sind die Bewahrer der freiheitlich-anarchistischen Werte.»

Mehr Sicherheit, weniger Verbote
Für die Grossratswahlen hat sich die SVP Biel-Seeland Eigenverantwortung auf die Fahne geschrieben. Verbote seien zu verhindern, die Wirtschaft soll wachsen – der Staat jedoch nicht. So wird sich die bürgerliche Partei weiterhin gegen Asyl- und Sozialmissbrauch einsetzen. Der Klimaschutz gehört hingegen nicht in ihr Parteiprogramm. Vielmehr setzt sich die SVP Biel-Seeland für eine kostengünstige Energieversorgung ein. Weiter hebt sie den Schutz der Landwirtschaft und allgemein der Schweizer Bevölkerung hervor.

Quelle: Hannah Frei, Bieler Tagblatt